Testbiotech-EU-Gentechnik-Newsletter 3/2015 (Juli 2015)

Das Wichtigste

Beschwerden gegen EU-Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen gestartet / EU-Kommission will Anbau von MON810 nicht stoppen / Tagungen zu EU‑Forschungsprojekten / EFSA präsentiert neue Richtlinien / EFSA prüft neue Studie zu MON810

Aktuelle Themen und Aktivitäten

  • Beschwerde gegen EU-Importzulassungen
  • EU-Kommission will Anbau von MON810 nicht stoppen
  • EFSA überprüft neue Publikationen
  • EU-Kommission weist BVL wegen Cibus-Raps in die Schranken
  • Ausschuss im Europäischen Parlament für Verbot des Klonens von Nutztieren
  • EFSA besetzt Gentechnik-Panel neu – mit alten Bekannten
  • Übersicht über EU-Forschungsprojekte

Aktuelles aus der Wissenschaft:

  • Stresstest an Gentechnik-Mais
  • Gentechnik-Weizen versagt im Anbauversuch
  • Laborfuttermittel mit Gentechnik und Pestiziden belastet

Neue Stellungnahmen der EFSA

  • Neue Richtlinien der EFSA für Untersuchung der Merkmale von GV-Pflanzen
  • Neue Richtlinien der EFSA für Verlängerung von EU-Zulassungen von GV-Pflanzen
  • EFSA entwickelt neue Richtlinien zur Überprüfung von Allergien
  • Risikobewertungen von Monsantos GV-Soja mit Resistenz gegen Dicamba und Glyphosat sowie Mais mit Herbizidresistenz (Glyphosat)

Aktuelles

  • Beschwerden gegen Importzulassungen von Gentechnikpflanzen
    Mehrere Organisationen verlangen von der EU-Kommission eine Überprüfung der Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen, die Ende März 2015 für den Import und die Verwendung in Lebens- und Futtermitteln erteilt wurden. Betroffen sind ein gentechnisch veränderter Raps von Monsanto, der gegen das Herbizid Glyphosat resistent gemacht wurde (MON88302), sowie mehrere Varianten von Gentechnik-Sojabohnen der Konzerne Monsanto und DuPont, deren Ölzusammensetzung verändert wurde (MON87769, MON87705 und DP305423). Grundlage der Beschwerde ist die EU-Verordnung 1367/2006. Die Kommission hat jetzt zwölf Wochen Zeit, um sie zu beantworten. Danach werden die Fälle möglicherweise dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorgelegt. Seit 2013 ist bereits eine Klage gegen eine Importzulassung gegen die Zulassung der gentechnisch veränderten Sojabohne Intacta, die ein Insektengift produziert.
    Technisches Dossier zum herbizidresistenten Raps
    Technisches Dossier zu Sojabohnen mit verändertem Ölgehalt
    Klage gegen Sojabohne Intacta
  • EU-Kommission will Anbau von MON810 nicht stoppen
    Ende April hatte Testbiotech die EU-Kommission aufgefordert, den Anbau von Gentechnik-Mais MON810 zu stoppen, weil der US-Konzern Monsanto die Auflagen für das Monitoring des Anbaus nicht erfüllt hatte. Die Probleme betreffen insbesondere die Beobachtung von möglichen negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Jetzt hat die EU‑Kommission geantwortet. Nach dem Wortlaut des Schreibens hat Monsanto inzwischen nachgebessert. Die Bewertung der neuen Unterlagen durch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA steht noch aus. Der neue Monitoringbericht von Monsanto findet sich hier: http://ec.europa.eu/food/plant/docs/plant_gmo_report_studies_report_2013_mon_810_revised_en.pdf
  • EFSA überprüft neue Publikationen
    Die EU-Kommission teilt in ihrem Schreiben auch mit, dass die EFSA eine neue Publikation bewerten soll, in der die Reaktion von MON810 auf Klimastress untersucht wurde. Die Studie wurde im April veröffentlicht und weckt Zweifel an der genetischen Stabilität von MON810. Der durch wechselnde klimatische Bedingungen ausgelöste Umweltstress könnte demnach dazu führen, dass der Stoffwechsel der Pflanzen entgleist (siehe unten). Nach Angabe der EFSA kann sich die Bewertung noch bis Oktober 2015 hinziehen.

    Die EFSA hat zudem eine Publikation bewertet, in der gezeigt wird, dass Pollen von Gentechnik‑Mais, der ein Insektengift enthält, in einem größeren Umkreis in der Umwelt verteilt, als bisher bekannt war. Die Behörde hält jedoch an ihrer Empfehlung fest, nach der 20 bis 30 Meter Abstand zu Gebieten in denen Raupen geschützter Schmetterlinge vorkommen, genügen, um diese vor dem giftigen Pollen zu schützen. Testbiotech hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Annahmen der EFSA nicht ausreichend durch Daten gesichert sind: Unter anderem fehlen ausreichende Untersuchungen zur tatsächlichen Giftigkeit der Maispollen.

  • Cibus-Raps: EU-Kommission setzt BVL Grenzen
    Die EU-Kommission stellt in einem Schreiben an die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten klar, dass ein umstrittener Bescheid des Bundesamtes für Verbraucher­schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zum Gentechnik-Raps der US-Firma Cibus nicht umgesetzt werden darf (www.testbiotech.org/node/1281). Noch im Februar hatte das BVL der Firma Cibus versichert, dass ihr Raps nicht dem Gentechnikgesetz unterliege und daher ab sofort ohne Genehmi­gungs­verfahren und ohne Kennzeichnung freigesetzt werden dürfe. Der Raps wurde mithilfe sogenannter Oligonukleotide, kurzer synthetischer DNA-Sequenzen, genetisch verändert.Die EU-Kommission schreibt jetzt, dass die Freisetzung von Pflanzen, die mithilfe von Oligonukleotiden hergestellt wurden, bis auf Weiteres möglichst zu unterlassen sei. Sie will bis Ende des Jahres eine EU-einheitliche Lösung erreichen.
    Das BVL hatte argumentiert, dass der Cibus-Raps mit der Mutationszüchtung gleichzusetzen sei. Verfahren der Muta­tionszüchtung werden seit vielen Jahren eingesetzt und gelten nicht als Gentechnik. Der Einsatz der Oligonukleotide hingegen gehört in den Bereich des „Genome Editing“ oder der „synthetischen Gentechnik“ und ist als Gentechnik im Sinne der EU‑Gesetzgebung anzusehen: Hierbei wird außerhalb der Zellen hergestelltes synthetisches Erbgut verwendet, das nach der Einführung in die pflanzlichen Zellen zu einer Veränderung des Erbguts an einer ganz bestimmten Stelle führen soll. Die beabsichtigte Veränderung ist punktuell, wird das Verfahren mehrfach angewendet, können allerdings auch längere Abschnitte des Erbguts verändert werden. Die genauen Mechanismen sind bislang nicht bekannt, es kann zu ungewollten Effekten in den Pflanzen kommen. Eine neue Studie aus Norwegen zeigt, dass hinsichtlich der Risiken erheblicher Forschungsbedarf besteht. Die neue Studie aus Norwegen: http://genok.no/arkiv/4294/
  • EU-Parlament gegen Klonen von Nutztieren
    Der Agrarausschuss und der Ausschuss für Umwelt und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments haben im Juni über neue Regeln für geklonte Tiere und Lebensmittel abgestimmt. Die Regeln sollen verbindlicher und strenger werden als von der EU-Kommission vorgeschlagen.
    Das Plenum des Europäischen Parlamentes soll über die neuen Regeln zwischen dem 7. und 9. September abstimmen. Danach muss mit den Mitgliedsländern und der EU‑Kommission über eine gemeinsame Position verhandelt werden. Der Deutsche Bundestag hatte sich bereits im Mai für strikte Regelungen ausgesprochen. Allerdings könnten die laufenden Verhandlungen um TTIP und das geplante CETA Abkommen es sehr schwer machen, entsprechende Regelungen tatsächlich umzusetzen. Siehe: www.testbiotech.org/klonbullen.
  • EFSA besetzt Gentechnik-Panel neu – mit alten Bekannten
    Am 10. Juni gab die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Namen für die Neubesetzung mehrerer ihrer Expertengremien für den Zeitraum bis 2018 bekannt. Auch das Panel für gentechnisch veränderte Organismen (GVO-Panel), das in den vergangenen Jahren aufgrund von Verbindungen zahlreicher Experten zu industrienahen Organisationen wie dem International Life Sciences Institute mehrfach in der öffentlichen Kritik stand, wurde neu besetzt. Überraschenderweise wurde dabei zahlreiche ehemalige Mitglieder des GVO-Panels nach zum Teil langjähriger Pause erneut in das Gremium berufen. Bei diesen Experten handelt es sich zum Teil um Personen, die zum industrielastigen Ruf des Gremiums beigetragen haben (http://www.testbiotech.org/node/1272). Das Panel der EFSA: www.efsa.europa.eu/de/gmo/gmomembers.htm
  • Tagungen und Updates zu EU-Forschungsprojekten
    Das Forschungsprojekt MARLON, das sich mit der Beobachtung gesundheitlicher Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen auf die Tiergesundheit befasst, tagt am 16. und 17. Juli in Brüssel

    Das Forschungsprojekt GRACE, in dessen Rahmen u.a. Füttterungsversuche mit dem Gentechnik-Mais MON810 durchgeführt werden, stellt seine Ergebnisse vom 5. bis 8. Oktober in Wien und vom 9. bis 10. November in Potsdam vor.

    Das Forschungsprojekt G-TwYST hat seine Pläne für eine zweijährige Fütterungsstudie mit Mais NK603 veröffentlicht.

    Testbiotech hat mehrfach die mangelnde Unabhängigkeit der beteiligten Experten bemängelt und deswegen unter anderem eine Beschwerde beim EU-Ombudsman eingereicht.

  • Neues aus der Wissenschaft

  • Stresstest an Gentechnik-Mais
    Wissenschaftler aus der Schweiz und Norwegen haben die Ergebnisse von Untersuchungen an gentechnisch verändertem Mais (MON810) veröffentlicht, der ein Insektengift – ein sogenanntes Bt-Toxin – produziert (Trtikova et al., 2015, http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0123011). Die Pflanzen wurden in Klimakammern angebaut und verschiedenen Stressfaktoren wie Hitze und Trockenheit bzw. Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt. Laut der Studie wurde auf diese Weise zum ersten Mal gemessen, wie wechselnde Umweltbedingungen die biologische Aktivität des zusätzlich eingeführten Gens und den Gehalt an neu gebildeten Proteinen beeinflussen. Die Ergebnisse sind überraschend. Die Reaktion des Gentechnik-Mais auf Umweltstress scheint nicht vorhersagbar zu sein.

    Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA verlangt für ihre Zulassungsprüfung derzeit keine systematischen Untersuchungen darüber, ob Umweltstress bei gentechnisch veränderten Pflanzen unerwünschte Reaktionen hervorruft. Wie der Stoffwechsel der technisch manipulierten Pflanzen beispielsweise auf veränderte Klimabedingungen reagiert, ist weitgehend unerforscht. Da die per Gentechnik zusätzlich eingeführte Erbinformation sich der natürlichen Genregulation entziehen kann und die transgenen Pflanzen nicht an den neuen Stoffwechsel angepasst sind, kann es durch Umweltstress (Hitze, Trockenheit, Krankheitsbefall, Nährstoffmangel, Salzbelastung usw.) zu genetischen Instabilitäten und nicht vorhersehbaren Veränderungen im Stoffwechsel der Pflanzen kommen. Dass derartige Effekte zu erwarten sind, zeigen vorliegende Forschungsergebnisse für gentechnisch veränderte Pflanzen wie Petunien, Baumwolle, Mais, Kartoffeln, Soja und Weizen.
    Die Untersuchungen wurden von Testbiotech mit Unterstützung durch die Manfred-Hermsen‑Umweltstiftung, der GEKKO-Stiftung, der Altner-Combecher-Stifung und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft gefördert. Wie die EU-Kommission jetzt mitteilte, soll die EFSA die Studie bis Oktober 2015 bewerten (siehe oben). Ein Hintergrund von Testbiotech: www.testbiotech.org/en/node/1197

  • Gentechnik-Weizen versagt im Anbauversuch
    Ein umstrittener Anbauversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in England endete laut den Betreibern mit „mehr Fragen als Antworten“. Der Weizen war gentechnisch so verändert, dass er bestimmte Botenstoffe (Pheromone) produzieren sollte, die Blattläuse natürlicherweise aussenden, wenn sie von Raubinsekten attackiert werden. Das Konzept sah vor, dass der Weizen deswegen weniger durch Blattläuse befallen würde. Der gewünschte Effekt ließ sich im Labor zeigen, war aber im Freiland nicht zu beobachten. Die Ursachen für dieses Versagen der Gentechnik-Pflanzen sind nach Aussage der Betreiber unklar.
    Die Studie: www.nature.com/srep/2015/150625/srep11183/full/srep11183.html

    Es ist bereits die zweite Studie, bei der Gentechnik-Weizen im Anbau versagt: 2010 berichteten Wissenschaftler aus der Schweiz über Untersuchungen an gentechnisch verändertem Weizen, der unter idealen Bedingungen im Gewächshaus normalen Wuchs und eine verbesserte Resistenz gegen Pilze zeigte. Unter Freilandbedingungen entgleiste der Stoffwechsel der Pflanzen aber. Der Weizen wies unter anderem einen signifikant höheren Befall mit Mutterkorn auf, einer extrem giftigen Pilzkrankheit. Es kam zu erheblichen Ernteeinbußen von bis zu 50 Prozent. Die Wissenschaftler begründeten diese Effekte mit dem Wechsel vom Gewächshaus ins Freiland – offensichtlich kommt es hier zu unerwarteten Wechselwirkungen zwischen der Umwelt und dem Erbgut der Pflanzen.
    Die Studie aus 2010: www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0011405

  • Laborfutter für Nagetiere mit Giftstoffen und Gentechnik-Pflanzen belastet
    Bei einer Stichprobenuntersuchung von Futtermitteln für Labortiere wie Ratten und Mäuse fand ein Team um den französischen Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini eine breite Palette von Giftstoffen, darunter Rückstände von Pestiziden, Schwermetalle und PCBs. Die Rückstände wurden in Futter festgestellt, das üblicherweise zur Aufzucht der Tiere oder zur Ernährung von Kontrollgruppen im Rahmen toxikologischer Untersuchungen u.a. verwendet wird. Der Einsatz kontaminierter Futtermittel in Kontrollgruppen kann dazu führen, dass die eigentlichen Effekte in Fütterungsversuchen „maskiert“ werden und unentdeckt bleiben. Die Werte lagen zum Teil über relevanten Grenzwerten und können in ihrer Summe als gesundheitliches Risiko angesehen werden. Einige Futtermittel bestanden zudem bis zu 50 Prozent aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Auch Testbiotech hat immer wieder Hinweise darauf gefunden, dass bei Fütterungsversuchen die Futterrationen der Vergleichsgruppen mit Gentechnikpflanzen kontaminiert sind. Die Studie: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0128429
  • Neue Stellungnahmen der EFSA

  • Die EFSA hat zwei gentechnisch veränderte Events der Firma Monsanto bewertet. Dabei handelt es sich um Mais 87427, der gegen Glyphosat resistent ist, sowie um die durch Kreuzung kombinierte Soja MON 87708 × MON 89788, die gegen die Spritzmittel Dicamba und Glyphosat resistent gemacht wurde. Die EU-Kommission hat eine Frist bis zum 20. Juli gesetzt, um diese Stellungnahmen der EFSA zu bewerten.

    Die EFSA hat sich zudem neue Richtlinien zur Bewertung agronomischer Merkmale und pflanzlicher Charakteristika von Gentechnik-Pflanzen gegeben. Testbiotech hatte den Entwurf dieser Richtlinie kommentiert und begrüßt, dass die Kriterien zur Erfassung der Merkmale jetzt genauer definiert sind. Testbiotech hält die Anforderungen aber nicht für ausreichend, um beispielsweise die Reaktion von Gentechnik-Pflanzen auf die Bedingungen des Klimawandels zu untersuchen.

    Auch die Anforderungen an die Prüfung von Gentechnik-Pflanzen für eine Wiederzulassung wurden neu definiert:

    Die EFSA hat einen Workshop zum Thema Allergie und gentechnisch veränderte Pflanzen abgehalten. Dazu soll es in den nächsten Monaten auch öffentliche Konsultationen geben: www.efsa.europa.eu/en/events/event/150617.htm

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